24. 09. 2014.

Tätowierte Irische Mönche

Gustav Freytag: Bilder aus der deutschen Vergangenheit - Kapitel 2 , Band I


In Europa erlangten diese frommen Gesellschaften zuerst eine merkwürdige Bedeutung auf der entlegensten Weltinsel, in Irland. Sehr früh mußte das Mönchstum aus Ägypten dorthin gedrungen sein. In dem keltischen Volk von feurigem Sinn und leicht erregter Phantasie bildeten sich auf den Gebieten kleiner Landesherren tätige Genossenschaften von entsagenden Frommen, welche im Gottesfrieden das Land bauten, Gewerbe trieben und heilige Bücher kopierten. Uns ist überliefert, daß um das Jahr 600 das Kloster Bancor an der Grenze von Cornwallis sieben Abteilungen Mönche, jede von 300 Mann unter einem Vorsteher, gehabt habe. Sie lebten nach alter Regel und erkannten die Autorität des römischen Bischofs nicht an. Einst war die Mehrzahl von ihnen bei einem Kampf mit dem halb heidnischen, halb katholischen Angelsachsen in geschlossener Schar ausgezogen, um während der Schlacht gegen die Fremden zu beten. Der König Edilfried sah sie auf einem Hügel stehen und rief: »Wenn sie gegen uns zu ihrem Gott schreien, so schaden sie uns durch ihre Bitten, sie sind auch ohne Waffen unsere Feinde.« Und er ließ 1200 derselben niederhauen, nur fünfzig retteten sich durch die Flucht. Aus Bancor zog um 590 Columban nach dem Süden, den weltlich gesinnten Franken die Lehre der Entsagung zu verkünden, und wie er Haufen seiner Landsleute. Vom sechsten bis zwölften Jahrhundert bewahrten die irischen Mönche einen Wandertrieb wie sonst nur Germanen, sie pilgerten durch das ganze Abendland, gründeten überall Einsiedeleien und kleine Mönchsgenossenschaften und setzten sich fast in allen Klöstern fest.

Es waren Männer von altertümlicher Strenge und Einfalt, oft heftige und gewaltsame Naturen; sie lehrten in den Klöstern Frankreichs und Deutschlands, was sie von heimischer Kunst mitbrachten. Denn sie waren eifrige Musiker, zumal auf der Harfe, und große Künstler im Schreiben und Bilderzeichnen, die seltsamen Formen ihrer Arabesken und Initialen in erhaltenen Manuskripten verraten noch die alte Verbindung mit den Eremiten des Orients. Sie waren auch praktische Leute als Ackerbauer und Baumeister und verstanden viele geheime Künste des Fischfanges, welche die süddeutschen Mönche von ihnen lernten und noch Jahrhunderte später mit besonderer Freude anwandten. Selten reisten sie anders als truppweise. Sie führten lange Stöcke, lederne Quersäcke und Flaschen, trugen wallende Haare und waren häufig nach nordkeltischer Sitte an einzelnen Teilen des Leibes, zumal an den Augenlidern tätowiert. Als sie ihre Wanderfahrten begannen, waren sie noch nicht römisch-katholisch, aber sie wurden in den Germanenklöstern des Kontinents als geehrte Gäste freundlich empfangen, in der Folge, selbst als sie die Benediktinerregel angenommen hatten, nicht immer gut behandelt. Ihre Bedeutung für die Kultur des Mittelalters ist nicht gering anzuschlagen, denn fast überall fachten sie die ersten Funken christlicher Bildung in den Klöstern an. Aber in Wesen und Bräuchen blieb ihnen etwas Fremdländisches. Von ihnen stammen die Schottenmönche, welche in den Kreuzzügen noch einmal Bedeutung gewannen.